Superkraft

Schutzfaktoren fürs ganze Leben

Was wir aus der Resilienzforschung für Kinder auch als Erwachsene brauchen

Meine Mutter sagte oft zu mir: „Lass die anderen sein, wie sie sind – jeder hat seine Stärken und Schwächen.“

Lange Zeit habe ich diesen Satz einfach angenommen. Er hat mir geholfen, gelassener mit Menschen umzugehen, nicht vorschnell zu urteilen und Unterschiede zu akzeptieren. Heute weiß ich: Genau diese Haltung kann ein starker Schutzfaktor sein – sie bewahrt Energie, reduziert Konflikte und unterstützt stabile Beziehungen.

Doch mit der Zeit habe ich auch die andere Seite erkannt: Wenn ich diesen Satz so verstehe, dass ich immer nachsichtig sein muss, kann er mich in eine ungesunde Einbahnstraße bringen – eine, in der ich meine eigenen Bedürfnisse zu oft zurückstelle. Resilienz bedeutet für mich heute nicht, alles zu ertragen, sondern zu entscheiden, wo Akzeptanz gesund ist – und wo Selbstschutz Vorrang hat.

Resilienz – ein Prozess, der mit uns wächst

Fröhlich-Gildhoff und Rönnau-Böse (2024) beschreiben Resilienz als dynamischen Anpassungsprozess.

Sie entsteht aus dem Zusammenspiel von:

  • Schutzfaktoren – Ressourcen, die uns stark machen
  • Risikofaktoren – Belastungen, die uns fordern
  • Erfahrungen – Momente, in denen wir spüren: „Ich kann das schaffen.“

Der Satz meiner Mutter war für mich lange ein innerer Kompass. Heute habe ich ihn erweitert: „Lass die anderen sein, wie sie sind – und achte darauf, wie es Dir damit geht.“

Was wir aus der Kindheitsforschung ins Erwachsenenleben mitnehmen können

Die Resilienzforschung zu Kindern und Jugendlichen zeigt, wie prägend frühe Schutzfaktoren sind – und wie sie uns als Erwachsene tragen können:

  • Stabile Beziehungen, in denen wir uns angenommen fühlen, geben Sicherheit.
  • Selbstwirksamkeit lässt uns mutig handeln und Neues wagen.
  • Problemlösefähigkeiten halten uns handlungsfähig, auch unter Druck.
  • Emotionale Regulation hilft, in schwierigen Momenten klar zu bleiben.
  • Positive Selbstwahrnehmung gibt uns die Kraft, Fehler als Lernschritte zu sehen.

Der Satz meiner Mutter stärkte vor allem meine Akzeptanz und emotionale Ausgeglichenheit. Heute kombiniere ich ihn mit einem weiteren Schutzfaktor: der Fähigkeit, klare Grenzen zu setzen.

Wie wir diese Schutzfaktoren bewusst stärken können

Im Coaching erlebe ich oft, dass Menschen solche prägenden Sätze in sich tragen – manche kraftvoll, andere etwas „überdehnt“. Es lohnt sich, sie zu prüfen: Dienen sie mir noch? Brauchen sie eine neue Ergänzung?

Konkrete Ansätze:

  • Erinnere Dich an Worte, die Dich geprägt haben – und prüfe, ob sie Dich heute noch stärken.
  • Setze kleine, erreichbare Ziele, um Selbstwirksamkeit zu spüren.
  • Pflege Dein Unterstützungsnetzwerk bewusst.
  • Übe, den inneren Sturm zu beruhigen, bevor Du handelst – und dann klar zu sagen, was Du brauchst.

Fazit – Worte dürfen wachsen

Resilienzförderung ist keine Kindheitserinnerung, sondern ein lebenslanger Prozess.
Manche Sätze begleiten uns über Jahrzehnte – und manchmal ist es ein Akt der Selbstfürsorge, ihnen ein neues Kapitel hinzuzufügen.

Für mich klingt der Satz meiner Mutter heute so: „Lass die anderen sein, wie sie sind – und bleib Dir dabei treu.“

Welcher Satz begleitet Dich – und hat sich seine Bedeutung für Dich im Laufe der Zeit verändert?

Quelle:
Fröhlich-Gildhoff, K., & Rönnau-Böse, M. (2024). Resilienz (7., aktualisierte Auflage). UTB.